Man lässt sich in den Ledersessel zurückfallen, den Espresso in der rechten Hand, schließt die Augen und überlässt alles weiteren dem Barbier.
Wer einen Barbershop betritt, erwartet nicht nur einen klassischen Schnitt. Er will sich ganz der Nostalgie der früheren Jahre hingeben. So zumindestens in den italienischen Barbershop. In anderen Länder geniesst man nämlich ein Whiskey dazu und kein Espresso.
Die Rückkehr der Barber-Shops
Seit die Entwicklung in den Gesichtern der Männer wieder eher in Richtung Vollbart statt glattrasiertem Kinn geht, sprießen sie wieder: Die Barber-Shops. Was viele allerdings nicht wissen, ist, dass diese Läden schon im letzten Jahrhundert wahre Institutionen waren. Keine Frauen, ein Whisky, eine Zigarre und eine Rasur. Das waren die Hauptanziehungspunkte der frühen Barber-Shops. Wo liegen die Ursprünge dieser Institutionen? Was macht sie auch heute noch aus? Und welche Aspekte davon lassen sich in modernen Versionen wiederfinden? Wir gehen auf Spurensuche.
Entstehung der ursprünglichen Barber-Shops
Alles begann im 20. Jahrhundert in den USA. Dort trafen sich Männer aller Klassen regelmäßig in ihrem Barber-Shop mit der berühmten Barber’s Pole.
Und das nicht nur, um sich den Bart von einem professionellen Barbier pflegen zu lassen. Wer eine gute Rasur, gepaart mit eloquenten Gesprächen und Fachsimpelei zur aktuellen Politik oder anderen Themen suchte, für den war der Barber-Shop der richtige Platz.
Doch die Historie der Salons für Herren und speziell des Männerfriseurs reicht bis ins Mittelalter zurück. Dort waren Barbiere vor allem Wundheiler. Damals wurden sie in der Gesellschaft allerdings als minderwertig angesehen und oftmals sehr schlecht behandelt. Sie zogen Zähne und kümmerten sich um die Körperhygiene wie Nagelpflege und um das Schneiden Haupt- und Gesichtsbehaarung. Mit der Zeit spezialisierten sich die Barbiere auf die Haarpflege.
Im 18. Jahrhundert entwickelten sich dann die klassischen Friseursalons, die streng nach Geschlechtern getrennt waren. In den 1970er Jahren starben die Barber-Shops allerdings langsam aus. Die Glanzzeit der gemischten Friseure begann mit dem Trend längerer Haare.
Wiederaufleben der Männersalons
Dank dem erneuten Siegeszug der Bärte in Männergesichtern werden Barber-Shops wieder deutlich beliebter. Sichtbar wird das vor allem anhand der zunehmenden Zahl an professionellen Barber-Shops in vielen Städten. Natürlich braucht ein Vollbart eine ganz andere Pflege, als es ein Friseur heute in der Ausbildung lernt. Der Bart ist wieder salonfähig und damit auch die Nachfrage nach professionellen Barbieren.
Was gehört in einen richtigen Barber-Shop?
Wenn das Wort Barber-Shop fällt, denken viele an einen kleinen, verrauchten Laden mit antiquierten Drehstühlen und schummeriger Beleuchtung. Der Duft von Pomade und Aftershave gepaart mit Zigarrenrauch und Schuhcreme-Noten erfüllt den engen Raum. Dazwischen wuselt ein Barbier im gestreiften Hemd und einem japanischen Rasiermesser umher. Diese Vorstellung weicht gar nicht so weit von der Ästhetik heutiger Barber-Shops ab. Dort finden sich:
• Lederüberzogene Sessel, in dem der Herr entspannt platznehmen kann.
• Oftmals antike Interieur-Elemente, die bewusst aufeinander abgestimmt werden. Dazu gehören zum Beispiel Waschtische aus Marmor.
• Eine kleine Bar, an der es sich Stammgäste und Wartende bequem machen können.
Natürlich variieren Interieur, Stil und allgemeines Aussehen der Läden. Jeder Besitzer interpretiert seinen Barber-Shop anders. Was aber bei jedem einzelnen Laden dazu gehört, ist natürlich ein gut ausgebildeter Barbier. Der kümmert sich nicht nur um die Pflege und das Stutzen der Bärte, sondern ist gewissermaßen auch Gastgeber.
Einmal Rasieren und Pflegen bitte
Im Zentrum eines Barber-Shops steht die Pflege des Bartes. Dazu praktiziert der Barbier die folgenden Schritte:
• Zunächst wird die empfindliche Gesichtshaut mit warmen Kompressen auf die kommende Prozedur vorbereitet. Das öffnet die Poren von Haaren und Haut. Sie nehmen pflegende Lotionen und Öle dann besser auf.
• Danach rührt der Barbier den Rasierschaum mit einem Haarpinsel aus Naturfasern an. Dieser wird dann direkt auf den Bart und besonders die zu schneidenden Partien aufgetragen. Dank dem Schaum werden die Barthaare sehr weich. So lassen sie sich dann besser und vor allem sanfter entfernen.
• Im Anschluss kommt das Rasiermesser zum Einsatz. Der Barbier säubert die Halspartie, dabei geht er mit äußerster Präzision vor. Ungewünschte Borsten werden schonend entfernt und die Kontur des jeweiligen Bartes nachgeschnitten. Gegebenenfalls werden die Längen gestutzt und der Gesichtsbehaarung eine neue Form verliehen.
• Nach sorgfältigem Desinfizieren etwaiger kleinen Verletzungen bildet eine reichhaltige Pflege den Abschluss. Dazu nutzt der Barbier ausgewählte Öle und wohlriechende Aftershaves. Pomade bringt danach noch Schnurrbärte gezielt in Form.
Was macht auch heute noch den Reiz von Barber-Shops aus?
Ein Barber-Shop ist heute noch ein richtiger Männer-Ort. Zwar ist die Rasur vom Profi wichtig, heute hat der Besuch eines Barbiers allerdings noch einen ganz anderen Stellenwert. Dort trifft sich die Vergangenheit und die Moderne. Der Besuch ist heute eine Art Lebensgefühl, passend zum Bart. Männer-Magazine liegen aus, es wird immer noch Whiskey getrunken und in dem ein oder anderen Laden darf sogar geraucht werden. Nostalgie wird großgeschrieben: Jazz oder Rock’n’Roll-Musik sowie die passenden Fotographien runden das Wohlfühl-Erlebnis für echte Kerle ab.
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