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April 19, 2024

Das italienische Lifestyle Magazine

Massimo Bottura im Portrait!

Erst wurde er von den Italienern verachtet doch dann kam der Durchbruch und Massimo entwickelte sich zum besten Koch der Welt!

Als im Mai 2012 die Erde in Italien bebte, drohte die gesamte Parmesan-Produktion zusammenzubrechen. 360.000 Parmesanlaiber waren zerstört. Es hätte das Ende der Parmigiano-Reggiano-Produktion Italiens bedeuten können. Tausende Arbeitsplätze waren gefährdet. Also wandte sich das Consortium Parmigiano, die Vereinigung, die sich um die Vermarktung des Parmesan-Käses kümmert, an Massimo Bottura. Der hatte im Jahr zuvor mit seiner Osteria Francescana in Modena drei Michelin-Sterne erkocht. Bottura versicherte dem Consortium, sie müssen sich keine Sorgen machen.

Er hatte eine Idee: Cacio e pepe. Das wohl einfachste italienische Gericht. Bestehend aus zwei Zutaten, Käse und Pfeffer. Im Originalrezept verwendet man zwar Pecorino, also Käse aus Schafsmilch, aber für diese außergewöhnliche Situation brach Bottura mit den Konventionen. Nicht zum ersten Mal.
Bottura kochte an einem Abend Risotto Cacio e Pepe. Und nicht nur er. Er forderte seine Kochkollegen weltweit dazu auf, dieses Gericht nachzukochen, um die Parmesan-Produktion zu retten. In Japan, London, New York – 40.000 Menschen kochten Risotto Cacio e Pepe. Alle kaputten 360.000 Parmesanlaiber wurden verkauft. Und die Italiener lagen Massimo Bottura zu Füßen. Das war nicht immer so.

Modena ist eine sehr kleine Stadt mit einer starken gastronomischen Tradition. Wenn man einen Italiener fragt, wo man am besten essen kann, lautet die Antwort immer gleich: bei Mama. Bottura kocht Gerichte wie man sie bei Mama finden würde, aber setzt sie völlig anders um. In den ersten Jahren kam niemand der Bewohner aus Modena zum Essen zu Bottura. Sie verachteten seine Art zu kochen, sie waren verärgert.

Alle Gerichte kocht Bottura mit Zutaten aus dem Umland Modenas. Aber er hat seine ganz eigene Interpretation von italienischer Sterneküche. So wie er kocht würde eine gewöhnliche Trattoria (einfaches italienisches Speiselokal) niemals kochen. Und genau das stieß seinen Landsleuten bitter auf. 1995 eröffnete Massimo Bottura seine Osteria Francescana, mit zwölf Tischen in der Via Stella 22 in Modena – und wollte sich von Konventionen befreien. Sein Anspruch? Die italienische Küche ins 21. Jahrhundert katapultieren.

Eines Tages servierte er Tortellini in Brühe, seine Gäste löffelten diese ohne darüber nachzudenken. Das störte Bottura. Also überlegte er, etwas Provokantes daraus zu machen. Beim nächsten Mal servierte er „sechs Tortellini in einer Linie, die in die Brühe wanderten“. Die Brühe war eine Art Gelee, sodass sie nicht vom Teller fließen konnte. Die Einheimischen waren entsetzt. Non si fa! Das macht man nicht. Diese Reaktion aber spornte Bottura dazu an, noch viel weiterzugehen.
Er rekonstruierte Lasagne, interpretierte eine klassische Zitronentarte neu: „Ups. Ich habe die Zitronentarte fallen gelassen“, ein Dessert, das ursprünglich tatsächlich mal heruntergefallen war. Der Küchenchef sah aber in dem Fauxpas ein Kunstwerk. Heute gibt es das vermeintlich misslungene Dessert auf zerbrochenen und wieder zusammengeklebten Tellern.

Damals aber wollten die Modenesen seinen Bankrott. Er würde die Rezepte italienischer Großmütter vergiften, hieß es von den Einheimischen. Sie waren nicht bereit für seine neuinterpretierten Gerichte. Eines der wichtigsten italienischen Restaurantmagazine, Gambero Rosso, zerriss die Osteria Francescana: Es sei keine Seele im Essen, die italienische Küche fehle völlig. Bottura war bereit seinen Traum aufzugeben.

2001 aber kam der langersehnte Durchbruch. Ein Redakteur der Zeitschrift „Espresso“ musste einen Umweg fahren. Er war auf dem Weg nach Florenz, auf Höhe Modena wurde aber die Autobahn gesperrt. Also stattete er der Osteria Francescana einen Besuch ab. Kurze Zeit später titelte er: „Tagliatelle postmodern“, eine Lobeshymne auf Botturas Gerichte. Das änderte alles. Die Foodjournalisten gaben sich fortan die Klinke in die Hand, die Osteria Francescana wurde mit dem ersten Michelin-Stern ausgezeichnet. Seit 2011 hält Bottura die drei Sterne und erkocht sie jedes Jahr aufs Neue. Darüber hinaus wurde die Osteria Francescana zum zweiten Mal auf Platz 1 der Liste „The World‘s 50 Best Restaurants“ gewählt. Massimo Bottura kann sich damit (erneut) als bester Koch der Welt bezeichnen.
Wie René Redzepi, Drei-Sterne-Koch aus Kopenhagen, der die Nordic-Cuisine verkörpert und die Produkte seines Landes der ganzen Welt zugänglich machte, steht Bottura für die italienische Küche. Heute gilt er als wichtigster und einflussreichster Botschafter der italienischen Gastrowelt – und konnte sogar Traditionalisten von sich überzeugen.

Eine Herzensangelegenheit ist Bottura auch das Thema „Food Waste“. Er setzt sich stark für weniger Lebensmittelverschwendung ein. Im vorherigen Jahr veröffentlichte er sein Buch „Bread is Gold“. Darin präsentiert er neben 50 der weltbesten Köche Rezepte aus einfachen Zutaten, Resten und Essensabfällen. Keine Selbstverständlichkeit für ein Kaliber wie Bottura. Er ist im steten Austausch mit Multiplikatoren und Entscheidern von Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen. Beispielsweise den Vereinten Nationen. Er gründete die Stiftung „Food for Soul“, mit der er auf der ganzen Welt Orte schaffen will, an denen Bedürftige essen können. Er hat den Anspruch, Lebensmittel richtig zu verteilen.
Angebote, ein weiteres Restaurant zu eröffnen, lehnt Bottura stets ab. Das sagte er vor wenigen Jahren im Interview mit der „Zeit“. Die Osteria Francescana wurde in Italien geboren und wird dort sterben.
Was der Nachwelt aber sicher ist? Die postmoderne italienische Küche – dank Bottura.

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